Kolleg*innen am Limit

Überlastungsanzeigen im hessischen Schulbereich

Aus: GEW regional September 2019

Viele Lehrerinnen und Lehrer beklagen eine stetige Zunahme ihrer Aufgaben bei gleichzeitiger Verschlechterung der Bedingungen an ihrem Arbeitsplatz Schule. Die Hauptbelastungsfaktoren dabei sind: der adäquate Umgang mit „herausfordernden Schülerinnen und Schülern“, die Klassenstärke, nachlassende Unterstützung durch die Eltern, die hohe Zahl an Pflichtstunden sowie die überbordenden
Aufgaben im Schulverwaltungsbereich.

Jüngste Studien zur Arbeitszeit von Lehrkräften belegen eindeutig, dass die gestellten Aufgaben nicht im Rahmen der vorgesehenen Arbeitszeit geleistet werden können. Weitgehend ausufernde Arbeitszeiten auch am Abend, an den Wochenenden und in den Schulferien sind längst die Regel. Die allgemeine Ausweitung von Aufgaben und Verpflichtungen führt zwangsläufig zu einer Zunahme von Konferenzen, Dienstversammlungen bis hin zu Auswüchsen wie unrechtmäßigen „Präsenzzeiten“. In den zurückliegenden Jahren haben in ganz Hessen zahlreiche Lehrkräfte und ganze Schulkollegien Überlastungsanzeigen beim Kultusministerium eingereicht. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist das Arbeitsschutzgesetz. Danach sind Beschäftigte verpflichtet, dem Arbeitgeber eine unmittelbare erhebliche Gefahr zu melden, welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gefährdet. Die Beschäftigten sind in diesem Zusammenhang auch berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu machen.

Die Überlastungsanzeigen im hessischen Schulbereich sind genau wie Resolutionen, offene Briefe und Petitionen in der Presse und auch im Landtag immer wieder als Thema aufgegriffen worden. Das HKM hat auf die Überlastungsanzeigen der Kollegien weder mit angemessenen Maßnahmen noch mit einem breit angelegten Dialogangebot reagiert, um auszuloten, wie die geschilderten Missstände zumindest in der langen Frist behoben werden könnten. Häufig gab es nicht einmal eine Empfangsbestätigung, mit der Antwort wurden die Schulämter betraut. Darum haben die im GPRLL vertretenen Kreisverbände der GEW (Dill, Limburg, Oberlahn, Wetzlar) eine entsprechende Resolution, die von Grundschulkollegien des Schulamtsbereichs unterstützt wurde, an den Kultusminister Lorz übermittelt. Folgender Satz aus einer Überlastungsanzeige würde als resümierender Schluss unter jede andere Überlastungsanzeige passen:

„Aber nun ist es soweit, dass wir sowie alle anderen schulischen Mitarbeiter, wie Sekretärinnen, Schulsozialarbeiter und Hausmeister an unsere Grenzen stoßen: Die zum Wohl der Schülerinnen und Schüler getroffenen Maßnahmen belasten letztlich uns alle, denn sie bedeuten immer mehr und mehr Arbeit.“

Unabdingbare Maßnahmen, um gesundheitsförderlichen und modernen pädagogischen Ansprüchen genügende Arbeitsbedingungen herzustellen, sind aus unserer Sicht:

  • Reduzierung der Arbeitszeit
  • mehr Entlastung für Mentorentätigkeit und Koordinierungsaufgaben
  • kleinere Lerngruppen
  • deutliche Erhöhung der Stellenzuweisung insbesondere für echte Ganztagsschulen sowie für besonders belastete Schulen
  • mindestens eine sozialpädagogische Fachkraft sowie eine Förderschullehrkraft pro drei Klassen im Rahmen der Inklusion.
  • Entlastung für Elternarbeit und die Mitarbeit in multiprofessionellen Teams
  • Reduzierung der Belastung durch bürokratisch-administrative Aufgaben
  • Etablierung eines echten Unterstützungssystems für Lehrkräfte mit hochwertigen Fort- und Weiterbildungsangeboten

Unabdingbar und längst überfällig ist in unseren Augen auch eine durchgängige A13-Besoldung für alle Grundschullehrkräfte. Die wirksame Anerkennung der Leistungen und die Attraktivität des  Lehrberufs stehen hier auf dem Spiel. Geradezu zynisch wirken dazu die jüngsten Worte des Kultusministers: „Wir beobachten die Lage auf dem Arbeitsmarkt und das Verhalten anderer Länder. Wir reden […] vom Gegenwert von etwa 1500 Lehrerstellen. Es stellt sich also die Frage, ob man das Geld in eine Besoldungsanhebung investiert oder in zusätzliche Lehrerstellen.“ (Dill-Post vom 15.08.2019)

Wir erwarten die versprochene „Entlastung für Schulen und Lehrkräfte“ aus dem Koalitionsvertrag und fordern sowohl substanzielle Maßnahmen als auch A13 für Alle!